Sowohl die Düsseldorfer Kunstakademie als auch die hiesige Kunstszene waren stets präsent mit Ausstellungen von u.a. Konrad Klapheck, Norbert Kricke, Fritz Schwegler, Gotthard Graubner, Erwin Heerich, Katharina Sieverding, Nam June Paik, Günther Uecker, K.O. Götz, Gerhard Richter, Klaus Rinke, Sigmar Polke, Imi Knoebel, Bernd & Hilla Becher, Klaus Mettig, Andreas Gursky, Reiner Ruthenbeck, Meuser, Danica Dakić, Palermo, Katharina Grosse, Hans-Peter Feldmann, KRIWET, Tomma Abts, Tal R, Thomas Ruff und Rita McBride.
Die Vielzahl von mehr als 500 Ausstellungen trug maßgeblich zur Konstituierung der Identität der Kunsthalle als Ausstellungshaus für die aktuellsten zeitgenössischen Positionen bei. Dass derart programmatische und zukunftsweisende Ausstellungen bereits sehr früh stattfanden und bis heute stattfinden, soll im Jubiläumsjahr vor dem Hintergrund des Wertewandels innerhalb dieser Zeitspanne kunsthistorisch reflektiert werden.
Die erste von insgesamt vier programmatischen Ausstellungen im Jubiläumsjahr trägt den Titel Wirtschaftswerte / Museumswerte und geht explizit auf die Geschichte seit Neugründung der Kunsthalle ein, man könnte sagen: PROSPECTRETROSPECT aus heutiger Sicht und im damaligen Sinne. Damals vordringliche, experimentelle und wenig bis nicht etablierte Strömungen und Positionen ausgestellter Künstler/innen und Werke zählen heute zumeist zum Bestand internationaler musealer Sammlungen und sind damit kanonisiert. Der Schwerpunkt unserer Ausstellung widmet sich den Jahren von 1966 bis 1981. Anhand der engen Kooperation mit dem Stedelijk Museum voor Actuele Kunst Gent (S.M.A.K., neu gegründet 1975, eigene Räume seit 1999) präsentieren wir unsere Auswahlsammlung eines „musée imaginaire“. Ausgangspunkt sollen Kunstwerke sein, die in besonderer Weise den „Geist“ und die europäischen Querverbindungen zwischen der belgischen und der deutschen Kunstszene innerhalb dieser Künstlergeneration reflektieren und dokumentieren. Die besondere geostrategische Situation des Rheinlands und seiner unmittelbaren Nachbarn Niederlande und Belgien genießt einen hohen Stellenwert. Nähe bei gleichzeitiger Differenz, konzeptuell-sinnliche Interessen und fruchtbare Begegnungen zwischen Künstlern, Galeristen, Sammlern und Institutionen bilden die inhaltliche Folie für die Ausstellung. Düsseldorf, Krefeld, Mönchengladbach, Leverkusen und Köln auf der deutschen Seite, Eindhoven, Antwerpen, Brüssel und Gent im Westen befanden sich im ständigen Austausch. Galerie-Neugründungen wie Wide White Space (1966 in Antwerpen) und Ausstellungen bei Konrad Fischer (1967 in Düsseldorf) waren Manifestationen dieser neuen Ausrichtung.
Titelgebende Arbeit der Ausstellung ist die Installation Wirtschaftswerte von Joseph Beuys, erstmalig 1980 in Gent bei Kunst in Europa na ’68 gezeigt. Das Werk besteht aus DDR-typischen Lebensmitteln auf spärlich bestückten, einfachen Eisenregalen als Gegenbild zum Überangebot westlicher Supermärkte. Eine Kritik an der Wegwerfgesellschaft und am Umgang mit lebenswichtigen Ressourcen, zu denen Beuys im übertragenen Sinne auch die menschliche Kreativität zählte. Umrahmt werden die Regale von klassischen Gemälden aus der Sammlung des Museum Kunstpalast, jeweils zurzeit von Karl Marx entstanden.
Ein weiteres, wesentliches Exponat von damals ist der Ikonenraum, den Imi Knoebel in Gent realisierte und der heute als Genter Raum in der Sammlung des Landes Nordrhein-Westfalen im K21 präsentiert wird. Werke aus der legendären S.M.A.K.-Ausstellung Kunst in Europa na ’68 und aus den Sammlungen des Hauses – darunter Arbeiten von Yves Klein und Andy Warhol – fächern die Bandbreite des damaligen Kunstschaffens weiter auf, stehen aber auch für den zentralen Unterschied zwischen Kunsthalle und Kunstmuseum, das in der Lage ist, Kunstwerke zu erwerben und damit für die Öffentlichkeit in Besitz zu nehmen.
Die parallel im K21 stattfindende Überblicksschau Marcel Broodthaers. Eine Retrospektive über das vielfältige Werk des belgischen Künstlers (1924-1976) rückt einen weiteren zentralen und bis heute relevanten Zeitgenossen ins Zentrum der aktuellen Düsseldorfer Aufmerksamkeit. Broodthaers‘ im Umfeld von Pop Art, Minimal Art und Konzeptkunst entstandenes Œuvre stellt eine überaus kritische und eigenwillige Position innerhalb der avantgardistischen Kunstszene dar. Seine institutionskritischen, installativen und kinematografischen Arbeiten sind ebenso paradigmatisch für diese Zeit und für die Kunsthalle, in der Broodthaers mehrfach ausstellte. 1972 zeigte er hier erstmalig umfassend seine heute in der Kunstsammlung des Landes NRW befindliche Abteilung Adler seines Musée D´Art moderne. 2010 widmete ihm die Kunsthalle gemeinsam mit dem Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen eine Hommage: Von realer Gegenwart. Marcel Broodthaers heute.
Mit der Ausstellung Wirtschaftswerte / Museumswerte wird die Kunsthalle Düsseldorf temporär zum Ort einer musealen Ausstellung und thematisiert damit auch die aktuelle Frage nach dem Stellenwert und der Wahrnehmung im Profil von Häusern mit und ohne eigener Sammlung. Der Wertewandel im Museum, im Kunstsystem und in der Gesellschaft seit den 1960er Jahren, auch die Frage nach dem kritischen Umgang mit dieser Geschichte und ihrer Bedeutung für die Künstler spielen eine Rolle. Innerhalb der letzten 50 Jahre hat sich in allen Bereichen unserer Gesellschaft ein radikaler Wandel vollzogen, mit der Studentenbewegung 1968, dem Zusammenbruch des Ostblocks und dem digitalen Wandel seien drei Beispiele genannt. Ebenso haben der seit etwa 1980 einsetzende Museumsboom und Großausstellungen wie Westkunst, von hier aus oder Bilderstreit, die starke Zunahme der „Eventisierung“ der Kultur, verbunden mit einem Boom von Kunstmessen, Biennalen und der neuen Rolle des Kultursponsorings, sowie der Umzug der Bundesregierung aus dem Rheinland in die neue „Kreativmetropole“ Berlin, als auch Debatten um eine sogenannte „Siegerkunst“ (Wolfgang Ullrich) und viele andere Themen einen bisher kaum in allen Dimensionen nachvollziehbaren Wertewandel eingeleitet, bei dem Kunst häufig als Ware, als Dekoration, als Prestige- oder Spekulationsobjekt eher negativ konnotiert wird: Kunst = Kapital.
Wie seinerzeit Joseph Beuys möchten wir heute den Blick positiv auf die lebenserhaltenden und heilenden Eigenschaften des „Nahrungsmittels oder Treibstoffs“ Kunst lenken, um insbesondere in einer Zeit der zunehmend sinnlosen Verschwendung für einen bewussteren Umgang mit (diesen) wertvollen und Werte bildenden Ressourcen zu sensibilisieren.
Einen Umgang mit der Zeit wird die Fortsetzung der Installation von On Kawaras ONE MILLION YEARS – PAST AND FUTURE aus dem Jahre 1969 im Rahmen der Ausstellung thematisieren. Diese wird von zwei Personen parallel in der Ausstellung gelesen.
Hier geht es zum Katalog der Ausstellung.
„Avatar und Atavismus. Outside der Avantgarde“, Installationsansicht Kunsthalle Düsseldorf, 2015
Foto: Katja Illner
Installationsansicht „Wirtschaftswerte / Museumswerte“, Kunsthalle Düsseldorf, 2017, Foto: Katja Illner
Installationsansicht „Wirtschaftswerte / Museumswerte“, Kunsthalle Düsseldorf, 2017, Foto: Katja Illner
Installationsansicht „Wirtschaftswerte / Museumswerte“, Kunsthalle Düsseldorf, 2017, Foto: Katja Illner